Informatische Bildung für alle Lehrkräfte
Wozu denn Informatik für alle Lehrkräfte?
Haben Sie sich beim Lesen der Überschrift vielleicht die Frage gestellt, wieso denn alle Lehrkräfte informatisch gebildet sein müssen? Reicht es nicht doch viel eher, die Geräte bedienen zu können? Vielleicht haben Sie selbst schon miterlebt, dass sich prinzipiell ähnliche Anwendungen in Aussehen und Funktionsumfang unterscheiden können: Zoom unterscheidet sich von Big Blue Button, Whatsapp von Signal und Moodle von ILIAS. Manchmal unterscheiden sich digitale Werkzeuge nach einem größeren Update sogar signifikant von ihrer Vorgängerversion. Die genannten Unterschiede sind jedoch nur oberflächlicher Natur. Unter der Oberfläche funktionieren alle digitalen Werkzeuge nach informatischen Prinzipien, die zeitlich weitaus beständiger sind als Update-Zyklen digitaler Werkzeuge. Da Lehrkräfte permanent im Kontakt mit diesen digitalen Werkzeugen sind, ist es, aus unserer Sicht, zu kurz gedacht, Werkzeugschulungen und Klick-Anleitungen mit Personen durchzuführen. Stattdessen möchten wir allen Lehrkräften die Möglichkeit geben, zu verstehen, wie Informatiksysteme unsere Daten und die von Schüler*innen verarbeiten. Dadurch können alle Lehrkräfte auf diese Fähigkeiten während ihres gesamten Berufslebens zurückgreifen, sei es bei der Auswahl von Werkzeugen für eine bestimmte Aufgabe oder für ihren Berufsalltag in der durch Digitalisierung geprägten Welt.
Unser Ansatz
Ausgehend von Szenarien aus dem prototypischen Schulalltag zeigen wir in verschiedenen Modulen auf, wie die dabei involvierten Informatiksysteme funktionieren, wie sie die Daten der Lehrkräfte, Eltern, Schüler*innen etc. verarbeiten und welche Schlussfolgerungen sich daraus für das Handeln im Schulalltag ziehen lassen. Wir gehen dabei von keiner informatischen Vorbildung der teilnehmenden Personen aus. Dennoch gibt es Bestandteile, die in einigen Modulen spezifischer erklärt und in anderen Modulen nur noch zur Wiederholung aufgegriffen werden.
Die Module sind in Zusammenarbeit mit Personen aus allen drei Phasen der Lehrkräftebildung (Studium, Vorbereitungsdienst, Fortbildungssystem) innerhalb des Projektes ComeIn entwickelt und erprobt worden.
Modul 1 – Informatik – von der Wissenschaft zur Praxis
Algorithmen? Daten? Programme? Die Orientierung in der Informatik fällt durchaus nicht leicht, da viele Personen oftmals über keine eigenen oder gar fehlleitende Vorstellungen verfügen, welche Prozesse in der durch Digitalisierung geprägten Welt wie ineinandergreifen. Daher wird in diesem Modul mit einfach umzusetzenden »Freihandversuchen« der Blick auf Gegenstände, Arbeitsweisen und die Fachstruktur der Informatik entwickelt. Diese Fachstruktur erschließt sich über sogenannte Ankerideen. Es wird exemplarisch illustriert, wie mit der »Brille der Informatik« Situationen/Problemstellungen betrachtet werden können. Die Idee dabei ist, an aus dem Alltag bekannten Beispielen anzuschließen und die informatischen Wirkprinzipien zu erkunden, bspw. bei der Wegfindung in einem Navigationssystem.
Dauer: | 90 Minuten |
Inhalte: | Begriffsklärung Informatik, informatische Gegenstände und Methoden, Fachgebiete der Informatik |
Modul 2 – Aufsätze, Facharbeiten, Projektberichte – Textgestaltung und Recherche
Beim Erstellen von Dokumenten greifen eine Reihe von Prozessen ineinander. Je länger das Dokument wird und je länger der Prozess dauert, desto wichtiger ist es, dass die Rechercheergebnisse nachhaltig bzw. persistent zur Verfügung stehen. Der Text muss dann schließlich in eine ansprechende Form gebracht werden. Ein informatisches Prinzip an dieser Stelle ist die Trennung von Inhalt und Gestaltung. Dadurch kann die Gestaltung unabhängig vom Inhalt angepasst werden. Dieses Prinzip ist in der Informatik häufig anzutreffen, bspw. bei der Webseitengestaltung aber auch beim Erstellen von Textdokumenten. Hier können Informatiksysteme die Prozesse unterstützen. Solche Informatiksysteme werden in diesem Modul benannt, deren Vor- und Nachteile diskutiert, ihre Architektur analysiert und deren Nutzungsmöglichkeiten beschrieben. Konkret werden bibliografische Einträge informatisch modelliert, die in einem längeren Text wieder referenziert werden. Dazu wird auch aufgezeigt, inwiefern eine Auszeichnungssprache wie LaTeX dabei hilfreich sein kann und welche Unterschiede zwischen What-You-See-Is-What-You-Get-Systemen (WYSIWYG) und What-You-See-Is-What-You-Mean-Systemen (WYSIWYM) existieren.
Dauer: | 180 Minuten |
Inhalte: | Recherche, Bibliographie, Textverabeitungssysteme und Textgestaltung |
Modul 3 – Der ”sichere” Kollegiums‐Chat – Kommunikation im Internet
Die Mitgliedschaft in einem oder mehreren berufsbezogenen Gruppen-Chats ist heutzutage nichts Außergewöhnliches mehr. Schnell werden darüber Daten von Eltern und/oder Schüler*innen ausgetauscht. Doch woran lässt sich erkennen, welche Messenger für die dienstliche Kommunikation mehr oder weniger (un-)geeignet ist? Dazu ist es hilfreich, die Funktionsweise eines Messengers zu betrachten, d. h. wie werden Kommunikationspartner*innen gefunden, welche Zwischenstationen wie Router und Server passiert eine Nachricht auf ihrem Weg und welche Art der Verschlüsselung kommt zum Einsatz. In diesem Modul wird anhand der Funktionsweise der Kommunikation im Internet eine Kriterienliste aufgestellt, mit Hilfe derer Lehrkräfte entscheiden können, welche Messenger sie für verschiedene Arten der Kommunikation nutzen bzw. vermeiden sollten, bspw. für
- den Austausch mit Kolleg*innen an der eigenen Schule,
- die Kommunikation mit der Schulleitung,
- die Kommunikation mit Eltern,
- die Kommunikation mit Schüler*innen sowie
- den Austausch mit Kolleg*innen an anderen Schulen.
Dauer: | 90 Minuten |
Inhalte: | Kommunikation in Netzwerken, Protokolle, Client, Server, Router, Eigenschaften von Messengern |
Modul 4 – Intelligente Hilfe im Unterrichtsalltag? – Künstliche Intelligenz
Ob Entscheidungsbäume bei Versicherungen, Gesichtserkennung in Bildern oder den verbreiteten Einsatz generativer Systeme: künftige Lehrkräfte werden in ihrem privaten wie beruflichen Alltag auf Werkzeuge mit Funktionen sog. Künstlicher Intelligenz stoßen, sei es bewusst durch den eigenen Einsatz im Unterricht, oder durch den Einsatz der Schüler*innen z. B. bei Hausaufgaben. Solche Situationen könnten wie folgt aussehen:
- Kritische Bewertung des Einsatzes von KI-Systemen als digitales Tool im Arbeitsprozess.
- Schüler*innen setzen KI-Systeme ein, deren Funktionsweise die Lehrkraft zumindest grundlegend verstehen muss, um die Eigenständigkeit einer Leistung der Schüler*innen bewerten zu können.
- Abschätzen des Potentials zur Qualitäts- und/oder Effizienzsteigerung des Lehrerkräftehandelns durch den Einsatz von KI-Systemen.
Um in diesen Situationen kompetente Entscheidungen treffen zu können bzw. diese Systeme produktiv einzusetzen, ist es notwendig, zu verstehen, wie diese Systeme anhand von Techniken des maschinellen Lernens erzeugt werden, wie sie die Eingabedaten zu Ausgabedaten verarbeiten und welche Information sich mglw. (nicht) aus den Ausgabedaten ziehen lässt. Aus deren Funktionsweise ergeben sich dann Möglichkeiten und Grenzen für den schulischen Einsatz.
Dauer: | 180 Minuten |
Inhalte: | Geschichte der KI, Maschinelles Lernen, Empfehlungssysteme, Neuronale Netze, Neue Lern- und Unterrichtssituationen |
Modul 5 – Chaos in der Fehlstundenübersicht – Einführung in Datenbanken
An vielen Stellen im Schulalltag fallen große Mengen an personenbezogenen Daten an, sei es bei der Fehlstundenverwaltung, bei Noten- oder Adresslisten. Sobald große Datenmengen anfallen und über verschiedene Einheiten (bspw. Zeiträume) verknüpft werden sollen, ist die sachgerechte Lösung die Nutzung einer Datenbank. Durch die Abfragemöglichkeiten können schnell sinnvolle Daten erfragt und ausgewertet werden. Bei der Verknüpfung von Daten verschiedener Personen ergeben sich jedoch sofort datenschutzrechtlich relevante Fragestellungen. Im Modul wird auf die grundlegende Funktionsweise und den Umgang mit einer Datenbank eingegangen.
Dauer: | flexibel, mind. 90 Minuten |
Inhalte: | Anlegen und Nutzung einer Datenbank, Einsatzmöglichkeiten von Datenbanken, Datenschutzproblematiken |
Modul 6 – Daten von Schüler*innen verwalten – Dateiverwaltung, Verschlüsselung und Backups
Bei der Organisation von Klassenfahrten, der Kontaktliste von Eltern, der Kommunikation mit außerschulischen Einrichtungen oder den Abschlussnoten von Schüler*innen: überall im Schulalltag fallen sensible, personenbezogene Daten an. Da es oftmals nicht die eigenen Daten der Lehrkräfte sind, müssen ausnahmslos alle Lehrkräfte in der Lage sein, diese ihnen anvertrauten Daten vor fremdem Zugriff zu schützen. Dabei ist es hilfreich, zu verstehen, wie Informatiksysteme Daten in hierarchischen Verzeichnisstrukturen abspeichern, wie sie durch Verschlüsselung vor fremdem Zugriff geschützt werden können und wie sie anschließend sicher auf verschiedenen Wegen zwischen Endgeräten übertragen werden können. Der sichere Umgang mit Daten und Dateien wird so in den Alltag der Lehrkräfte integriert. Im Modul werden u. a. folgende Szenarien behandelt:
- Ein Datenträger mit personenbezogenen Daten geht verloren.
- Eine digitale Notenliste soll einer Kollegin/einem Kollegen übergeben werden.
- Eine Notenliste/ein Kursheft mit allen datenschutzrechtlichen Gefahren wird obsolet.
- Es muss eingeschätzt werden, in welcher Form personenbezogene Daten gespeichert werden.
Dauer: | 90 – 180 Minuten |
Inhalte: | Dateien anlegen und verwalten, Verschlüsselung von Dateien, Verzeichnissen sowie Festplatten, Backups, Dateiverwaltung von Apps |
Modul 7 – Kollaborative Dokumentenerstellung – Clouds, Pads und Versionierung
Zum Alltag von Lehrkräften gehört es auch, dass mit anderen Personen kollaborativ an Dokumenten gearbeitet wird. Typische Situationen im Schulalltag sind bspw.:
- Gemeinsam/kollaborativ an Dokumenten arbeiten, bspw. im Rahmen von Fachschaftssitzungen, Schulkonzepten, Veranstaltungsplanung etc.
- Kollaboratives Arbeiten im Unterricht
- Dateiverzeichnisse teilen und sich in diesen bewegen
Die Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Situationen sind vielfältig: Es können Dateien an Endgeräten ausgetauscht, Synchronisationsdienste genutzt, aber auch kollaborative Werkzeuge wie Pads eingesetzt werden. Von Lehrkräften wird verlangt, dass sie situationsbezogen angemessene Werkzeuge auswählen können, d. h. auch "unangemessene" Werkzeuge als solche identifizieren. Dazu ist es hilfreich zu verstehen, wie diese Werkzeuge Daten verarbeiten und wie die Synchronisation ermöglicht wird. In diesem Modul wird daher die Funktionsweise kollaborativer Werkzeuge erläutert und aufgezeigt, welche Rolle Kommunikation im Internet sowie Verschlüsselung dabei spielen.
Dauer: | 90 Minuten |
Inhalte: | Merkmale kollaborativer Szenarien, Kriterien zur Einschätzung kollaborativer Werkzeuge, Kollaborationsmodelle, Ausblick Versionierungssoftware |
Modul 8 – SPAM von der Schulleitung? – Digitale Selbstverteidigung
Lehrkräfte nutzen im Berufsalltag verschiedene Informatiksysteme und Werkzeuge, die anfällig für Schadsoftware oder Angriffe sein können. So können Mails schadhafte Anhänge beinhalten, kurze Passwörter können mithilfe systematischen Durchprobierens (Brute-Force-Angriff) geknackt werden oder Viren können über geteilte USB-Sticks verbreitet werden. Um dies zu verhindern, ist es hilfreich, zu verstehen, an welchen Stellen Informatiksysteme Zugriff auf eigene Daten ermöglichen und durch welche Verfahren dem vorgebeugt werden kann, bspw. durch die Verwendung geeigneter Passwörter und Verschlüsselungsverfahren.
Deswegen müssen alle Lehrkräfte sich selbst, ihre Informatiksysteme und ihre Umwelt im Umgang mit dem Internet schützen. Darunter fallen z. B. die folgenden Situationen:
- Bei einem Datenleak werden Anmeldedaten veröffentlicht.
- In einer Anwendung werden Sicherheitslücken gefunden.
- Ein Screenshot wird durch die lokale Veränderung einer Webseite verfälscht.
- Der Anhang einer Mail ist eine ausführbare Datei, die Schadsoftware auf das Informatiksystem lädt.
Dauer: | flexibel zwischen 180 und 600 Minuten |
Inhalte: | Der Faktor Mensch als Sicherheitsrisiko, Datentransfer im Netz, Schadsoftware |
Modul 9 – Unterrichtsmaterial barrierefrei erstellen ‐ Dokumentbestandteile, OER, CC‐Lizenzen
Eine der Hauptaktivitäten des außerunterrichtlichen Alltags von Lehrkräften ist die Erstellung von Lehr-Lern-Materialien. Dazu wird oftmals auf existierendes Material in Gänze zurückgegriffen oder in Bausteinen zu neuem Material kombiniert. Für die Suche wird häufig das Internet benutzt, d. h. es werden Daten mit einem an ein Netzwerk angeschlossenes Informatiksystem ausgetauscht. Die Daten liegen in digitaler Form vor und werden (meist) vom angefragten Server auf das eigene System kopiert. Auf dem anfragenden System befindet sich nun eine identische Kopie der auf dem Server vorhandenen Daten (unabhängig davon, ob die Urheber*innen vorab um Erlaubnis gefragt wurden). Im Idealfall liegt sogar eine bearbeitbare Version vor. Diese kann nun in Teilen oder ganz mit weiteren Informatiksystemen bearbeitet werden, welche nicht notwendigerweise dieselben sind, mit denen das Werk auch erstellt wurde. So entsteht ein neues Werk. Dies birgt jedoch auch die Gefahr der Urheberrechtsverletzung. In diesem Modul werden die Arbeitsschritte Material besorgen, entwickeln sowie bereitstellen betrachtet. Dazu ist es hilfreich, Dokumente systematisch auf ihre Bestandteile und deren Eigenschaften hin zu analysieren und ggf. zu neuem Material kombinieren zu können. Lehrkräfte können durch dieses Modul selbstständig und begründet die folgenden Fragen beantworten:
- Wo kann ich Unterrichtsmaterial ohne Bedenken herunterladen?
- Welche Abbildungen darf ich für mein Unterrichtsmaterial nutzen?
- Welche Werkzeuge kann ich für die Erstellung meiner gewünschten Materialien wie nutzen und wie arbeiten diese?
- Auf welche Aspekte muss ich achten, damit meine Materialien barrierefrei werden, z. B. Kontrast oder Alternativtexte?
Dauer: | 180 Minuten |
Inhalte: | Möglichkeiten für die Gestaltung und Veröffentlichung von Unterrichtsmaterialien, Lizenzen, Barrierefreiheit |
Kontakt
Sie möchten, dass wir Ihr Kollegium im Ruhrgebiet dabei unterstützen, kompetent durch einen durch Digitalisierung geprägten Schulalltag zu gehen? Dann schicken Sie uns gern eine E-Mail mit folgenden Daten:
- Zeit(raum)
- Ort/Schule
- Anzahl Personen
- Ausstattung Schule (vorhandene Endgeräte)
- Gewünschte(s) Modul(e)
Sie befinden sich im Bergischen Land? Dann nehmen Sie gern Kontakt mit unseren Projektpartner*innen der Bergischen Universität Wuppertal auf.
Sie sind selbst Informatik-Lehrkraft oder Fortbildner*in und möchten Ihr Kollegium hausintern fortbilden? Unsere Fortbildungsmaterialien wurden als OER-Materialien veröffentlicht und sind mit LaTeX-Kenntnissen individuell anpassbar. Sie finden die Materialien hier. Bei Fragen oder Anregungen melden Sie sich gern bei uns.
Die Fortbildungen werden von uns hinsichtlich ihrer Gelingensbedingungen und Auswirkungen untersucht. Wenn Sie die Fortbildungen selbst durchführen, würden wir uns daher über ihre Kooperation bei der Erforschung freuen. Bitte melden Sie sich in diesem Fall ebenfalls bei uns.